Cuxhavener Geschichten, Gedichte und Meer
2025
Petra Welslau
Mit dem Wattwagen
nach Neuwerk
Aus: „Fundstücke aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 60, Leseprobe

Vor einigen Jahren verbrachten Anne und Kurt ihren Urlaub in Cuxhaven und erwarben gleich zu Beginn Karten für eine Wattwagenfahrt nach Neuwerk. Sie hatten schon oft Urlaube in Cuxhaven verbracht, aber so einen Ausflug hatten sie sich noch nie gegönnt. Kaum erreichten sie an diesem Morgen den Kutschenhof und stellten sich in die Warteschlange für den Wagen, begann es, leicht zu nieseln.
„Ach herrje, nun regnet es doch. Da werden wir nach der vierstündigen Tour vermutlich pitschnass und durchgefroren sein“, jammerte Anne.
„Moin, Leute, ich bin Josef, euer Kutscher. Nun seid mal nicht so zimperlich! Ein bisschen Abenteuer muss sein! Oder seid ihr aus Zucker?“ Josef trug einen langen Regenmantel und hohe Gummistiefel. Auf seinem Kopf befand sich ein breitkrempiger Hut. Er zwinkerte den beiden zu und forderte sie auf, die Leiter, die am Wagen lehnte, hinaufzusteigen und vorn auf der Kutscherbank neben ihm Platz zu nehmen.
Sechs weitere Personen stiegen in den Wagen. Josef forderte alle auf, sich die vor ihnen angebrachte Plane als Schutz vor dem nun stärker werdenden Regen über den Körper bis zum Hals hochzuziehen.
„So seid ihr vor dem Regen und der leichten Brise geschützt. Es soll aber nachher sonniger werden. Ein
bisschen salzige Luft und ein paar Regentropfen sind im Übrigen gut für die Gesichtshaut“, fügte er lachend hinzu.
„Wie gut, dass ich vorhin unsere Regenhüte aus dem letzten Norwegen-Urlaub eingepackt habe“, meinte Anne. Beide setzten die Hüte auf und zogen sie sich tief ins Gesicht.
Gut eingepackt ging die Fahrt los. Zunächst ein Stückchen unterhalb des Deiches die Straße entlang, dann den Deich hinauf und weiter über den Strandweg hinaus ins Watt. Gemächlich trabten die beiden kräftigen Pferde durch die Pfützen und kleinen Priele entlang des durch Pricken – im Boden angebrachten Birkenstangen – gekennzeichneten Wattweges. Ein Wattwagen hinter dem anderen – heute waren es zwanzig an der Zahl. Gleich einem langen Treck nahmen sie ihren Weg Richtung Neuwerk im weiterhin andauernden Nieselregen.
Josef unterhielt seine Fahrgäste mit Informationen über das Watt, angereichert mit allerlei Scherzen und Witzen, die die Fahrt kurzweilig machten. Seine Stimme klang aber besorgter, als er über die Veränderungen im Watt vor Döse und Duhnen sprach.
„Die Natur verändert schon von sich aus unser Watt. Aber der Bau des Leitdammes zur Begrenzung der Elbe und die Ausbaggerung der Elbe mit der damit verbundenen Verklappung des Elbschlammes sind Eingriffe in die Natur und haben starke Auswirkungen. Es sind mehr Sedimente im Watt, die mehr Wattaufwuchs bedingen. Man vermutet einen Zusammenhang mit der Laufveränderung und der Tiefe der Priele. Unsere Wattwagen haben große Probleme beim Durchqueren der Priele, insbesondere des sogenannten Duhner Lochs.“
„Kann man denn etwas dagegen unternehmen?“, fragte Kurt interessiert.
„Der Boden wurde bereits auf unterschiedliche Art befestigt und der Weg wurde mehrmals verlegt. Bei zu hohen Wasserständen der Priele kommt es vor, dass die Fahrt gar nicht erst stattfindet oder aber die Wattwagen umkehren müssen“, erklärte Josef. „Das Problem ist sehr vielschichtig, und ich kann euch nur einen kleinen Einblick geben. Klar ist aber, dass Handlungsbedarf besteht, wenn weiterhin die über hundert Jahre alte Kutschenverbindung zwischen Cuxhaven und Neuwerk erhalten bleiben soll.“
„Woher kommen denn die Wagen da drüben?“, fragte Tania, die mit ihrem Mann auf der hintersten Bank saß. Sie zeigte zur linken Seite, wo sich zehn Kutschen näherten.
„Das sind die Sahlenburger. Hier trifft der Prickenweg aus Duhnen auf den Prickenweg aus Sahlenburg. Diese Stelle nennen wir liebevoll Deutsches Eck. Ab hier fahren wir gemeinsam bis Neuwerk. Die Sahlenburger mussten zuvor das Sahlenburger Loch durchqueren – auch ein Priel, der bei hohen Wasserständen Probleme bereitet“, erklärte Josef.
Plötzlich hielten alle Wagen an.
„Ihr nehmt jetzt besser eure Taschen vom Boden des Wattwagens auf euren Schoß“, rief Josef seinen Fahrgästen zu. „Es könnte gleich nass werden! Aber ihr habt Glück: Unsere Kutsche ist zehn Zentimeter höher als die der anderen.“
Mit ungläubigen Gesichtern schauten alle zum Kutscher.
„Das ist sicher nur wieder einer seiner Scherze“, meinte Kurt mit Blick auf das verunsicherte Gesicht seiner Frau Anne.
„Nein, das ist kein Scherz“, gab Josef ernst zurück.
Ob der Kutscher den Wagen sicher nach Neuwerk lenkt, erfahren Sie ab Seite 63 in „Fundstücke aus Cuxhaven“.
2025
Margit Steinert
Ferienziel Cuxhaven –
Reisen damals
Aus: „Fundstücke aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 110, Leseprobe

Petra, eine Berliner Pflanze, verbrachte ihre Ferien fast immer in Altenbruch. So auch im Jahr 1979, gerade mal 16 Jahre alt.
Seinerzeit war das Reisen ein kleines Abenteuer. Deutschland war geteilt, Berlin ebenso. Petra musste mehrere Grenzkontrollen über sich ergehen lassen. Am West-Berliner „Bahnhof Zoo“ wurde sie in den Zug gesteckt. In Hamburg musste sie umsteigen, um schließlich nach Altenbruch zu kommen.
Die Firma ihres Vaters hatte auf einem Bauernhof nahe der Dicken Berta einen Bauwagen abgestellt, brauchbar hergerichtet als Campingwagen. Dort verbrachten oft Firmenmitarbeiter und ihre Familien einen Urlaub an der frischen Nordseeluft. Dies war nun auch Petras Domizil.
Sie hatte sich schon vor Jahren mit Anke angefreundet, die nebenan wohnte. Die beiden spielten den ganzen Tag miteinander Federball, Verstecken oder gingen zum Angeln. Manchmal saßen sie auf dem Deich und schauten den Schiffen auf der Elbe hinterher, die ziemlich nahe vorbeifuhren. Gegenseitig lasen sie sich die Schiffsnamen vor, träumten von der großen weiten Welt, und manchmal winkten ihnen Matrosen zu – ein aufregendes Ereignis, das sie animierte, spannende Seefahrergeschichten zu erfinden. Oft bewunderten sie einfach die Schafe auf dem Deich, die friedlich grasten. Die im Frühjahr geborenen Lämmer vollführten lustige Sprünge, einige ließen sich sogar streicheln.
In diesem Sommer kamen noch Ankes Cousinen Simone und Kerstin dazu, die ebenfalls in Berlin lebten und nun bei ihrer Oma im Nachbarhaus die Sommerferien verbrachten. Vor allem Ankes Papa Reinhard kümmerte sich um die Mädchen, denn immer hatten sie Wünsche und Ideen für Ausflüge. (Heute amüsieren sie sich über Urlaubsfotos aus dieser Zeit, die den Papa in Schlaghosen zeigen.)
Eines Tages im Juli 1979 unternahm Reinhard mit den vier Mädchen eine Wattwanderung zur Insel Neuwerk. Auf der Tour bemerkten sie immer wieder kleine Fontänen aus dem Wattboden, die von Muscheln stammten, doch nach diesen suchten die Mädchen vergebens. Manchmal zogen sie an einem Wattwurm oder schreckten die Krabben auf, die sich im Wattboden vergraben hatten.
Besonders kritisch wurde der Weg durchs Watt, als sich ein Gewitter ankündigte. Mit letzter Kraft erreichten sie die Insel, der Regen setzte ein und Schlag auf Schlag entluden sich die Blitze. An eine Rückkehr mit der Fähre war an diesem Tag nicht zu denken.
Ohne entsprechendes Gepäck übernachteten die fünf in einem Schullandheim. Problemlos zauberte das Personal trockene Kleidungsstücke herbei. Und ein gemütlicher Abend mit Gitarre und Gesang blieb nicht nur deshalb in Erinnerung, weil man sich bestens verstand – sondern auch, weil Simone, 14 Jahre alt, Thomas kennenlernte. Er war sechs Jahre älter als sie.
Würdevoll sprach sie den „älteren Herrn“ zunächst mit „Sie“ an. Als er ihr das „Du“ anbot, traute sie sichʼs nicht. So waren damals die Zeiten.
Kinder und Jugendliche aus einer Schulgruppe, die im Heim untergebracht war, legten Platten auf, es wurde getanzt. Die aufregende Tour durch das Watt war schnell vergessen. Doch Simone und Thomas vergaßen sich nicht.
Ob sich die beiden eines Tages doch noch duzen und was der strenge Vater dazu sagt, lesen Sie ab Seite 112 in „Fundstücke aus Cuxhaven“.
2025
Susanne Gerdes
Gute Vorsätze für
das neue Jahr
Aus: „Fundstücke aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 11, Leseprobe

Den Vorsatz hatte Anne schon lange gehegt, aber für die Umsetzung benötigte sie fast ein ganzes Jahr. Vor zwölf Monaten war sie Zeugin des Spektakels gewesen und hatte alles mit einer Mischung aus Bewunderung und körperlichem Frösteln verfolgt. Wie schafften das gut 400 Menschen? Das musste für sie doch auch möglich sein!
Eins stand fest: Allein würde sie das niemals durchstehen. Also zog sie ihre Freundin Lisa ins Vertrauen. Diese fiel aus allen Wolken, als Anne ihr den Plan offenbarte:
„Was hast du vor? Ausgerechnet du, die fast immer friert und der selten warm genug ist?“
„Wenn du mitmachst, schaffe ich das!“, versuchte Anne bei ihr Unterstützung zu bekommen.
„Sind wir denn nicht schon zu alt für so etwas?“, fragte Lisa nachdenklich.
„Nein, nein! Es werden alle Altersklassen zugelassen – vom vierjährigen Kind bis zur 80-Jährigen gab es dieses Jahr Teilnehmer.“
„Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, komme ich ja ohnehin nicht dagegen an“, gab sich Lisa geschlagen. „Aber das können wir unmöglich ohne Vorbereitung durchziehen. Ich mache mir mal ein paar Gedanken, wie wir uns an die Kälte gewöhnen können.“
Wenig später stellte Lisa ihrer Freundin den Trainingsplan vor: „Ab Mai gehen wir täglich in der Bucht schwimmen, egal wie kalt das Wasser und die Luft sind. Sowie die Treppen genutzt werden können, legen wir los.“
„Okayyy“, stimmte Anne ihr sehr zögerlich zu.
„Aber das reicht nicht“, ergänzte Lisa. „Wir müssen uns noch an andere Temperaturen und extreme Unterschiede gewöhnen.“
„Wie das denn?“, fragte Anne, die das Vorhaben bereits wieder infrage stellte.
„Wozu wohnen wir in einem Luftkurort mit Schwimmbad und Sauna – die Tauchbecken im Ahoi-Bad nicht zu vergessen!“, erklärte Lisa.
„Aber das Wasser in den Tauchbecken hat manchmal nur vier Grad“, gab Anne zu bedenken.
„Eben!“, trumpfte Lisa auf: „Das ist genau die Temperatur, die das Meer Anfang Januar haben kann. Die perfekte Gewöhnung für uns!“
Gesagt, getan!
Ob die beiden Frauen es wirklich wagen, sich in die eisigen Fluten zu stürzen, lesen Sie ab Seite 13 in „Fundstücke aus Cuxhaven“.
2025
Angelika Ehrmann
Im Sommer an der
Nordseeküste
Aus: „Fundstücke aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 71, Leseprobe

Im Sommer an der Nordseeküste,
da isses schön – wenn ich nur wüsste,
wohin ich fahr?
Dann denk ich mir, wie jedes Jahr:
Cuxhaven, Mensch, das ist doch klar!
Drum buch ich schnell, dann bin ich bald
am Küstenort mit Meer und Wald.
Freu mich auf meinen Seelenort,
träum mich dahin und bin gleich dort.
An der Alten Liebe stehen,
Schiffe kommen, Schiffe gehen.
Danach zur Kugelbake laufen
und jetzt erst mal ganz kurz verschnaufen.
Eins darf ich dabei nicht vergessen:
...
Was die Autorin auf keinen Fall vergessen will und wie es an ihrem Seelenort weitergeht, erfahren Sie ab Seite 71 in „Fundstücke aus Cuxhaven“.
2025
Monika Ahlrichs
Fabel von der Muschel
und der Nordseekrabbe
Aus: „Fundstücke aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 120, Leseprobe

Im Wattenmeer vor Cuxhaven begegnete die kleine Sandklaffmuschel wieder einmal einer Nordseekrabbe, und zwar einer gemeinen Strandkrabbe.
Nicht eben ein angenehmes Treffen für die Muschel. „Auch das noch“, stöhnte sie darum genervt, „jetzt kann ich mir wieder allerhand Gemeinheiten gefallen lassen.“
Aber der Krabbe war überhaupt nicht nach Wortklaubereien zumute, sie hatte schlicht großen Appetit auf eine kleine, leckere Muschel. Zunächst im Rückwärtsgang näherte sie sich ihr schnuppernd und klopfte sie mit ihren Scheren schon einmal interessiert ab.
Da erkannte diese die Gefahr und zog sich blitzschnell in ihre Muschelschalen zurück, um die Schotten zur Sicherheit dichtzumachen. Weil sie aber zur Familie der Klaffmuscheln gehörte, ließen sich die Schalen nicht ganz schließen, sondern klafften noch ein wenig auseinander wie eine nur leicht angelehnte Haustür. „Richtig blöd jetzt“, dachte sie sich, „Sicherheit geht irgendwie anders.“
Zitternd machte sie sich ganz klein in ihren Schalen, ihr winziges Herz schlug so kräftig, dass man es an den Muschelschalen pochen hörte. Durch den offenen Spalt sah sie ein bedrohlich hereinglotzendes Krabbenauge und hörte bereits die Scheren klappern.
Die Krabbe schnurrte sanft, als ob sie ihre Stimmbänder mit Schlick geschmirgelt hätte. „Moin, liebe Nachbarin, öffne mir doch die Tür ein wenig weiter, ich habe dir leckeres Plankton mitgebracht!“
Aber eine kleine Muschel im Getümmel des großen Wattenmeeres ist gefährliche Situationen gewöhnt, und sie dachte gar nicht daran aufzugeben. Obwohl ihre Stimme vor Angst ganz piepsig wurde, ließ sie sich nicht unterkriegen und antwortete möglichst forsch: „Moin, Krabbe, das ist ja eine gelungene Überraschung! Leider ist meine Wohnung sehr klein und der Platz hier drin ist viel zu knapp für zwei.“
Die Muschel machte eine Kunstpause und fügte hinzu: „Aber warte, ich glaube, die Silbermöwe da drüben starrt mit ihren gelben Raubtieraugen schon gierig herüber, da sollte ich dich besser ganz schnell retten und wenigstens vier deiner acht Beine zu mir hereinlassen!“
Ob die beiden „Küstenkinder“ diesen Tag überstehen, finden Sie heraus in „Fundstücke aus Cuxhaven“ ab Seite 121.
2023
Margit Steinert
Die misslungene Heldentat
Aus: „Frische Grüße aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 22, Leseprobe

Ein herrlicher Sommertag mitten im Juni. Zwei Stunden vor Hochwasser will ich in der Grimmershörnbucht in die Fluten springen. Ich schnappe mir das Fahrrad, die 400 Meter bis zum Meer bewältige ich mit einem Sprint über den etwas steil ansteigenden Deich.
Schon auf dem Prinzessinnentrift dröhnt ein lautes Weinen an meine Ohren. Ein kleiner Junge in leuchtend roter Badehose, vielleicht fünf Jahre alt, hat seinen Ball ins Wasser katapultiert. Herzzerreißend jammert er seinem Spielzeug hinterher. Der Papa nimmt allen Mut zusammen, klettert über die Steine ins Wasser. Die Treppe, nur wenige Meter links von ihm, muss er übersehen haben. Das kalte Wasser – oder sind es scharfe Kanten? – lassen ihn aufseufzen. Er greift nach dem Ball – doch der ist schon wieder weg. Der ablandige Wind kennt kein Erbarmen. Oder hat den Ball die Sehnsucht nach der großen weiten Welt gepackt?
Da mir Kinderweinen nun mal bis ins Mark geht, verspreche ich, den Ball zurückzubringen. Falls es mir gelingt! Natürlich ohne jede Garantie!
Die Mutter: „Nein, nein, das brauchen Sie nicht!“
Der Vater: „Wir kaufen gleich einen neuen Ball!“
Die Eltern versuchen, ihren Sohn zu trösten. Doch er scheint untröstlich zu sein.
Aber ich weiß, dass dieser Ball für ihn einmalig ist – so sehen es die Kinder. Und für einen Jungen ist der begehrte Ball wie ein geliebtes Kuscheltier. Also hinterher!
Doch der Ball scheint etwas gegen mich zu haben. Der Abstand verringert sich zwar, fast ist er in greifbarer Nähe. Ich schwimme eine Kurve und will ihn von hinten erreichen. Mit einem erneuten Windstoß hoppelt das widerspenstige Ding davon. Es ist ein ungleicher Kampf, der Wind gegen mich und meinen Ehrgeiz. Schließlich kapituliere ich, zumal mein Zeitplan ins Wanken gerät. Meine Enkelkinder müssen zum Flötenunterricht gebracht werden. Also umkehren!
Beim Schwimmen behalte ich meine Position im Blick: Die Kugelbake liegt etwa im 30-Grad-Winkel links hinter mir, der Wattboden ist zu sehen, die Fahrrinne noch weit entfernt. Keine Gefahr.
Doch bei meiner Rücktour höre ich plötzlich das Martinshorn. Mehrere Autos fahren auf die Mitte der Bucht zu, rote Autos, weiße Autos, und das Rettungsboot der DLRG sehe ich in Richtung Kugelbake fahren.
Was in der Bucht los ist und ob unserer heldenhaften Schwimmerin Gefahr droht, erfahren Sie ab Seite 23 in „Frische Grüße aus Cuxhaven“.
2023
Gisela Kahn
Ein Brief ans Meer
Aus: „Frische Grüße aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 19, Leseprobe

Liebes Meer!
Wenn du wüsstest, wie oft ich an dich denke! Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf, wenn ich aufwache, tagsüber, abends, morgens, einfach sehr oft. Warum? Das versuche ich mal zu ergründen und zu erklären.
Warum schaue ich so gerne auf dich? Warum mag ich dich so? Weil du so weich bist? Ist Wasser weich? Es kann auch salzig sein, ja. Am liebsten würde ich in dich eintauchen, um dich überall zu spüren.
Immer, wenn mein Sohn zu Besuch nach Cuxhaven kommt, gehen wir zu dir – zum Meer – und begrüßen dich mit einem Schluck Sekt oder auch mehreren. Meistens während der Dämmerung. Die Sonne versinkt ganz weit links am Horizont, im Westen. Ein Farbspiel entsteht, faszinierend zu beobachten. Glitzernd, als wären Sternchen in dich hineingefallen, wenn die Sonne ganz untergeht. Die Farben changieren. Die Gelbtöne verwandeln sich in Rottöne. Sie sind kaum zu beschreiben und mischen sich bei Ebbe in den Wasserpfützen im Watt, dann werden die Töne immer dunkler und schließlich fast schwarz.
Bei Flut ist das nicht ganz so spektakulär. Aber dann ist Bewegung in dir: Die Wellen schaukeln und wiegen sich hin und her und veranlassen mich zu weiteren Träumen. Am Ufer, am Strand, gluckst und gurgelt das Wasser, wenn du Muscheln und Sand hin und her schiebst.
Wenn du, Meer, total unruhig bist, weil es stürmt, ist alles grau, oft dunkelgrau. Dort, wo die Wellen sich brechen, manchmal brutal und zerstörend, entsteht die schäumende Gischt. Die Schaumkronen sind weiß. Ein wunderbarer Kontrast.
Wie viele Menschen gibt es auf der Welt – und wie viele mögen dich, du nimmer endendes Meer? Du kannst brutal sein, aber dennoch bist du auch weich. Bist du die Ursache für diese chaotische Welt? Aus dir entstand das Leben.
Lassen Sie sich von diesem persönlichen Brief an eine ganz große Adresse einfach mitreißen … Meer ab Seite 20 in „Frische Grüße aus Cuxhaven“.
2023
Susanne Gerdes
Ich kann hier
nicht weg ...
Aus: „Frische Grüße aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 63, Leseprobe

Ich kann hier nicht weg – die Hagebutten sind reif!
Auf dem Küstenradweg von Sahlenburg nach Duhnen fällt es mir auf: Die vor Kurzem noch einen unvergleichlichen Duft ausströmenden Heckenrosen sind zu Hagebutten geworden, orange, rot, prall, saftig und kernig! Das bedeutet auch, dass der Sommer in vollem Gange ist, eher schon seinem Ende zugeht, und das wiederum heißt, dass wir uns ranhalten müssen, die vitaminreichen Früchte abzupflücken, zu entkernen und das Fruchtfleisch zu genießen. Eine mühevolle Arbeit, aber was tut man nicht alles für die Gesundheit! Diese genussvolle Tätigkeit macht mir einmal mehr klar:
Ich kann hier nicht weg!
Ich steige vom Fahrrad und suche mir noch blühende Heckenrosen, um den Duft tief einzuatmen. Würde ich ihn doch gerne so abspeichern, dass ich ihn auch im Winter abrufen könnte! Als erste Maßnahme beschließe ich, in unserem Vorgarten eine Heckenrosenhecke anzupflanzen, damit ich nur vor die Haustür treten muss, um eine Prise Duft einzuatmen. Wie vitaminhaltig die Früchte sind, lernte ich erst von einer Sportsfreundin, die irgendwann anfing, die Früchte von wild wachsenden Hecken zu ernten und mühsam das Fruchtfleisch von den Kernen zu trennen.
„Mehr Vitamin C kannst du nicht zu dir nehmen! Die Früchte sind pure Gesundheit!“
So nach und nach steckte sie die ganze Sportgruppe mit ihrer Sammelwut an und wurde nicht müde, die Vorzüge anzupreisen, bis sie spaßeshalber schon „Frau Doktor“ genannt wurde.
Längst vergangen sind die Zeiten, als uns die älteren Jungs die Kerne in den Nacken steckten, was einen heftigen Juckreiz hervorrief – die Samen mussten dann schnellstmöglich aus der Kleidung entfernt werden.
Jetzt kenne ich alle Stadien der Reifung und muss mich beeilen, sie im richtigen Moment zu ernten, denn es ist nur eine kurze Zeitspanne, bis sie schrumpeln und nicht mehr genießbar sind. Das heißt, dass ich im August hier nicht wegkann!
Ich kann hier nicht weg – ich kann mein Häuschen nicht alleinlassen!
Seit nunmehr vier Jahren reizt es mich überhaupt nicht mehr zu verreisen. Im Jahr 2018 waren es noch zwei Flugreisen und eine Wanderreise, wo ich mich immer wieder dabei ertappte, voller Sehnsucht auf Live-Webcams zu gucken, um die Wetter- und Strandlage in Duhnen auch in über 1000 Kilometer Entfernung zu verfolgen. Dazu kam noch das große Bedauern über verpasste kulturelle Veranstaltungen.
Ich beschloss, im Jahr 2019 auf Reisen ganz zu verzichten, und das wurde ein voller Erfolg. Ein wunderbarer Sommer mit vielen Unternehmungen und Events ließen die Zeit wie im Flug vergehen – und selbst im Winter kamen keine Langeweile und Leerlauf auf, denn nun hatte ich meine festen Gruppen für Verabredungen, meine Schreibgruppe, den Freizeittreff und die Walkinggruppen.
Das lässt sich doch nächstes Jahr so fortsetzen, dachte ich bei mir, nicht ahnend, dass das Reisen aufgrund der Pandemie ohnehin ausfallen musste. Ich vermisste immer noch nichts und fand es an der Nordsee im menschenleeren Duhnen selbst während des Lockdowns faszinierend. Wir waren sehr erfinderisch – ausgestattet mit Getränken, Knabbereien und Anglerstühlen – in Ermangelung von Imbissen und Restaurants mit zwei Haushalten einen angenehmen Abend am Strand zu verbringen und die Ruhe zu genießen.
Inzwischen ist das Reisen wieder möglich, und viele sind geradezu in einem Nachholfieber, weil sie so lange verzichten mussten. Viele? Ja, aber nicht alle! Ich genieße jeden Tag in meinem gemütlichen Häuschen, das genau alle Zwecke erfüllt, die für mich zum Wohlfühlen nötig sind.
Welche weiteren guten Gründe das Wegfahren verhindern, erfahren Sie ab Seite 66 in „Frische Grüße aus Cuxhaven“.
2023
Angelika Ehrmann
Im Watt
Aus: „Frische Grüße aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 14, Leseprobe

„Nun beeil dich doch mal!“ Gabi war schon ganz ungeduldig. Sie wollte endlich an den Strand und konnte gar nicht verstehen, warum ihre Freundin Katja so ewig lange brauchte, bis sie die Strandtasche gepackt hatte.
„Bin ja schon fertig“, meinte diese, nahm mit Schwung die Tasche vom Stuhl und ging zur Tür der Ferienwohnung, die die beiden in Sahlenburg für eine Woche gemietet hatten. Sie waren das erste Mal an der Nordsee und freuten sich auf ein paar unbeschwerte freie Tage am Wattenmeer.
Gabi rollte mit den Augen und rief: „Na, endlich! Ich freue mich schon so auf das Meer.“
Auf der Straße zum Strand herrschte munteres Treiben. Viele zog es an diesem sonnigen Wochenende an die Nordsee, um sich ein paar schöne Stunden an der Küste zu gönnen. Die beiden Frauen gingen die Straße hoch zum Strandzugang, dort, wo auch die Wattwagenfahrten zur Insel Neuwerk starteten. „Ich kann das Meer schon riechen“, freute sich Gabi. Sie spürte ein Kribbeln im Bauch, fast so, als wenn sie ein Blind Date hätte. Dann waren sie auch schon am Strand angekommen und zeigten noch schnell ihre Kurkarten vor. Sie zogen ihre Schuhe aus und liefen durch den weichen weißen Sand zu ihrem angemieteten Strandkorb.
Was für ein herrliches Durcheinander und Stimmengewirr von herumtobenden Kindern, sportlichen Typen, die Ball miteinander spielten, kleinen Grüppchen, die sich zusammengefunden hatten, um am Strand zu feiern, und Menschen, die sich in der Sonne aalten!
„Ach, ist das schön hier!“, meinte nun auch Katja.
Es war gerade Ebbe und so wollten sich die Freundinnen gleich auf den Weg ins Watt machen.
„Ist das nicht irre, wir laufen gerade auf dem Meeresgrund herum. Schau mal, was es hier alles zu entdecken gibt!“, rief Gabi lachend und zeigte auf die vielen Muscheln und kleinen Häufchen, die die Wattwürmer hinterlassen hatten.
„Herrlich! Komm, lass uns mal da an den Büschen entlanglaufen“, schlug Katja vor.
„Büschen!“, kam es etwas vorwurfsvoll aus Gabi heraus. „Das sind Pricken, die markieren den Fahrweg der Wattwagen, damit diese den sicheren Weg nach Neuwerk finden.“
„Ach, du kleine Klugscheißerin, das weiß ich doch“, stieß Katja hervor. „Dann mal los!“
Sie genossen den leichten Seewind, der bei diesem warmen Wetter für eine angenehm kühle Frische sorgte, sammelten Muscheln auf, die sie unterwegs fanden, und hörten die Möwen über sich kreischen.
„Guck mal, diese großen Pfützen hier – und wie schön warm das Wasser darin ist“, freute sich Katja, die begeistert hineingestiegen war.
„Ja, die nennt man Priele“, erklärte Gabi und badete nun auch ihre Füße darin. Dabei merkten die zwei gar nicht, dass sie sich immer weiter vom Ufer entfernten.
„Du, ich glaube, wir sollten uns mal langsam auf den Rückweg machen“, meinte Katja schließlich. „Da hinten kann ich schon erkennen, dass das Wasser zurückkommt.“
Erst jetzt fiel ihnen auf, dass sie ganz allein auf weiter Strecke waren – die Menschen am Strand wirkten ziemlich klein.
„Oha! Ja, dann sollten wir uns mal ein wenig sputen“, bemerkte Gabi.
Dann liefen sie los. Langsam glomm ein wenig Angst in ihnen auf. Hoffentlich schafften sie es bis zum Eintreffen der Flut noch an den Strand! Unter ihren Füßen wurde der harte Sandboden langsam nass. Sie waren erstaunt und ein wenig entsetzt, wie schnell das Wasser zurückkam. Mittlerweile stand das Wasser bereits knöcheltief. Der Priel, den sie vorhin als angenehm erfrischend empfunden hatten, war schon richtig tief. Nur mit Mühe wateten sie hindurch. So langsam wurde den beiden Frauen bewusst, dass sie sich in einer mehr als unglücklichen Lage befanden.
Ob die Exkursion ins Watt ein glückliches Ende nahm, erfahren Sie ab Seite 17 in „Frische Grüße aus Cuxhaven“.
2023
Monika Ahlrichs
Seestück II
Aus: „Frische Grüße aus Cuxhaven“,
Textauszug ab Seite 94, Leseprobe

Im Jahr 1823 hat der Dichter Heinrich Heine während eines Cuxhaven-Aufenthalts das „Seestück“ geschrieben. Leider ist von diesem Gedicht nur die erste Strophe erhalten, man kann sie heute auf einer Tafel an der Alten Liebe nachlesen. Von Heines Versen (kursiv
gedruckt) inspiriert, habe ich genau 200 Jahre später das Gedicht fortgeführt.
Am Werfte zu Kuxhaven
Da ist ein schöner Ort,
Der heißt „Die Alte Liebe“.
Die meinige ließ ich dort …
Auf dieser Alten Liebe,
Da standen wir zu zweit,
Hielten uns an den Händen.
Das ist Vergangenheit.
Wir schauten nach den Schiffen
Mit sehnsuchtsvollem Blick,
Die dort vorüberzogen,
Da schwante uns das Glück.
Da blühten unsre Träume
Vom Schippern um die Welt,
Denn mit den Schiffen reisten wir
Gedanklich ohne Geld.
Da zogen unsre Herzen
Im selben Takte los,
Untrennbar in die Zukunft,
Sie schien uns grenzenlos.
Wie es im „Seestück II“ weitergeht, erfahren Sie ab Seite 95 in „Frische Grüße aus Cuxhaven“.